WAHRIATIONEN

Freud entdeckte eine unbewusste, verborgene Wahrheit in den Symptomen, die sich im Traum und in Fehlleistungen teilweise aufdecken ließ. Ihm fiel kurze Zeit später auf, dass diese verborgene Wahrheit selbst lügnerisch sein konnte, denn sie war für einen anderen gemacht worden. Dieses Paradox ist der Anlass für Lacan, diese Zwiespältigkeit der Wahrheit mit der Tatsache zu verbinden, dass wir sprechen. Für Lacan ist Wahrheit also stets gesprochene Wahrheit und potenziell immer lügende Wahrheit. In einer Analyse wird sie zunächst am Ort des Anderen vermutet, während man eine Vielzahl von Variationen von Wahrheit entwickelt, die wieder für einen Anderen gemacht sind. Die so produzierte Wahrheit ist nie vollständig und gehört in die Dimension von Fiktion. Als eine Einordnung des Begriffs der Wahrheit ist das sehr weitführend. Die Frage ist nun aber, was die, von Lacan vorhergesehene und eingetretene Entwertung der Wahrheit im Zeitalter der Post-Truth für Auswirkungen hat. Auf die Subjekte und auf die Erfahrung der Psychoanalyse. Was verankert heute, jenseits von Wahrheit, das Wissen, aber auch die Fiktion und die Kunst? Wie steht es mit der psychoanalytischen Deutung?

Die andere Dimension, die Lacan angesichts der Halbwahrheiten in den Vordergrund rückte, ist die Dimension des Realen. Kann das Reale ein Wegweiser sein, der über die Einschätzung der Variationen von Wahrheit hinausgeht und die Psychoanalyse orientiert?

Seminarreihe über das Thema des nächsten NLS Kongresses mit dem Titel: Wahriation, Variationen der Wahrheit in der Psychoanalyse.

Eine Zusammenarbeit mit Diskussion der Beiträge von Julie Baicry, Filomeni Sotiriou, Claudio Steinmeyer, Marta Wierzejska, Natalie Wülfing​